KräuterPixel

Auf dem im Inselkloster Reichenau entstandenen Klosterplan von St. Gallen und in dem Gartengedicht 'Hortulus' des Reichenauer Abtes Walhafrid Strabo (858-349) wird ein Gartentyp beschrieben, wie er uns nahezu bis in die Gegenwart in unseren Bauerngärten erhalten geblieben ist oder zumindest in nur leicht veränderter Form nahe verwandt blieb.

Für das Geviert solcher Gärten ist das Nebeneinander von Blumenzier, Küchenkräutern und Nutzgemüse ein normaler Zustand, in dem die Rose oder Lilie sich nicht schämt, neben dem Rettich oder dem Wermut zu blühen. Auch die Auswahl der darin -wachsenden Pflanzen hält sich meist noch an die Vorbilder aus karolingischer Zeit, die ihrerseits wiederum - zwar nicht sklavisch, doch insgesamt einigermaßen getreu - dem ‚Capitulare de villis‘ in seinen Empfehlungen für die Gartenbepflanzung folgen. Das ‚Capitulare de villis‘ Karls des Großen – eine Art Ministerialerlass des Aachener Hofes für die Verwaltung und   Bewirtschaftung der Krongüter –gibt nur kommentarlos eine Pflanzenliste wieder, die für den Anbau empfohlen wird, während Walhafrid sich in seinem ‚Hortulus‘ als intimer Kenner der Pflanzen seines Gärtchens zu erkennen gibt. Als interessierter Heilkundiger beschreibt er nicht nur Wuchsform und Aussehen, sondern auch Duft und Geschmack nebst den medizinischen Eigenschaften der einzelnen Pflanzen so exakt, wie es auch ein moderner Botaniker nicht viel besser könnte.Salbei

So beschreibt er in der Salbeistrophe zum Beispiel erstaunlich wirklichkeitsgetreu den Neuausschlag des verblühten Stocks aus dem basalen Sprossbereich, der den alten verblühten Spross am Ende des Sommers vordrängt oder in der Irisstrophe wird die Verwendung des veilchenduftenden Rhizoms (Wurzelstock) als Mittel zur Stärkung von Leinen so plastisch wiedergegeben, wie dies nur aus eigener Erfahrung kommen kann.

Auch sind Anzahl und Anordnung der Beete sowohl im St. Galler Klosterplan als auch im eigenen Reichenauer Gärtchen keineswegs zufällig, sondern folgen einer durchaus eigenen Zahlensymbolik, deren Sinn sich nicht leicht erschließt. Während auf der Reichenau insgesamt 4 x 4 Beete der Garteneinteilung zugrunde liegen, kommen im Plan von St. Gallen (für den befreundeten Abt und Lehrer Grimald) noch 2 x 4 Beete hinzu. Im Gedicht 'Hortulus' sind den einzelnen Pflanzen zwischen Einleitung und der Widmung für Abt Grimald 2 x 12 Strophen zugeordnet und das gesamte Gedicht selbst besitzt 444 Hexameter, wodurch die Vierzahl noch dreifach unterstrichen wird. Dem Symbolcharakter der Vierzahl entsprechen vielleicht die vier Elemente, die vier Jahreszeiten, die vier Naturen der Körper (trocken, feucht, kalt und warm) und die vier Kardinaltugenden sowie die vier Evangelien. Das Gärtlein selbst ist quadratisch angelegt, wobei sich dessen Form am ehesten noch aus einer Stelle der Offenbarung des Johannes (22,2) erschließen lässt, wo es heißt: "Der mit mir redete, hatte ein goldenes Messrohr, um die Stadt, ihre Tore und ihre Mauer zu messen. Die Stadt ist in einem Viereck angelegt, so lang wie breit ...", "er maß auch ihre Mauer, einhundertvierundvierzig Ellen nach dem Maß der Menschen, das auch das der Engel ist …"

Im Übrigen verrät er an keiner Stelle des Gedichts weder den Sinn seiner Symbolik noch die Tatsache, dass sie in ihm überhaupt versteckt ist, so wie auch in vielen anderen Klosterschriften der Frühzeit vielfach eine solche verborgen ist, deren Hintersinn uns häufig geheimnisvoll bleibt.
mhKräuterPixel Hohenkarpfen

Kunstfest
Hohenkarpfen

Samstag, 15. Sept. 2012

Impresari
Susanne Ritzi-Mathé —>
Günter Ritzi

Künstlerische Leitung
Ingrid Burgbacher-Krupka —>
Elisabeth Gutjahr —>

 

 


Manfred Hauser
*1939 in Trossingen
Prof. em. Dr., Zellbiologe, Universität Bochum

"KräuterPixel" 2012
- Gärtner spüren heilender Natur nach -

Pflanzbeete, Kasanienzaun, Steintafeln

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